Monatsarchiv 11. Mai 2021

avatar VonUwe Martinschledde

Wie entstand die Idee der “Dortmunder Guugelkiste”? “Mit neuen Folgen! Jan.2022”

PHASE1:Wir machen das jetzt einfach Mal!

Im Mai 2017 holte uns Thommy, der Quatiersmanager aus Brambauer, in sein Revier. Geplant war, das wir unsere Basisstation im AWO Seniorenheim “Achenbach” aufschlagen. Wie bei uns üblich haben wir gleich Freunde unter den Bewohnern gefunden. Wir haben uns vorgestellt und erklärt, was wir so machen, da waren einige Fragezeichen und für viele jede Menge “Neuland” zu sehen. Praktisch veranlagt entschlossen wir uns, die Senioren in die Kunst des Surfens einzuweisen. Schnell waren mehrere Rechner aufgebaut und mit einem speziellen LTE-Router über eine Handykarte mit dem World Wide Web verbunden. Wir konnten dann einige Mutige als Versuchskaninchen gewinnen. Bei 3 Aspiranten hatten wir leichtes Spiel. Jetzt ging es darum, Ziele für die Expedition festzulegen. Das war nicht ganz einfach, da die Erfahrungen mit dieser riesigen “Bibliothek” bei Null lagen.

Da war der Exlastwagenfahrer, der mehr über seine alte Möhre, einen DAF-LKW, wissen wollte, und verwundert feststellte, wieviele Treffer seine Suche ergab. Oder der Modelbauer, welcher in früheren zitterfreien Zeiten, geduldigt Papierfaltmodellschiffe zum Leben erweckte, war überrascht, welche umfangreiche Sammlung heute frei verfügbar waren und schnell ausgedruckt werden konnten. Meine Dame hatte den Wunsch einmal im Leben nach Indien zu reisen, um dort das “Taj Mahal” zu besichtigen, weil sie oft darüber gelesen hatte. Nachdem wir geschaut hatten, ob die Pantoffeln richtig sitzen, ging es los. Als wir dann auf einer Seite virtuell durch das Gebäude und seinem Park wandeln konnten, verwandelte sich die Seniorin in ein kleines Mädchen, dem der Vater ihr neues Puppenhaus am Weihnachtsabend vorstellt.

Fazit des Tages, interessierte Bewohner und Pflegekräfte, mit leuchtenden Augen, die jetzt endlich wissen, was sie bis jetzt verpasst haben. Als wir fortfahren wollten, stellten wir fest, das wir die Rechnung ohne die Mühlen der Verwaltung und einen rigerosen Hausmeister gemacht haben. Es fehlte an der Umsetzung ein Internetzugang mit Kosten von 75€ monatlich. Bei den Gesamtkosten eines solchen Heims, sicherlich nur Penuts.

PHASE2:Planung und Umsetzung!

Bei den Gesprächen mit den Einrichtungen, wurde die Bitte geäußert die Surfstation in ein Möbel zu integrieren, um es zum Einen optisch angenehm zu gestalten und zum Anderen aus Sicherheitsaspekten, um den Zugriff auf die Komponenten zu begrenzen. Also machten wir uns diesbezüglich einige Gedanken.

Das war dann unser erster Arbeitsentwurf!

Jetzt wurden auch die notwendige Rahmenbedingungen festgelegt: was kommt dort rein, woraus wird die Box hergestellt, wer macht sie und am aller wichtigsten, wie finanzieren wir das Projekt. Diese Fragen sind unterschiedlich schwierig zu beantworten. Was dort reinkommt war uns schon sehr früh klar. Durch die Sachspende einer Dortmunder Firma kamen wir an eine Charge Mini-PC’s, die routinemäßig gewechselt wurden, aber noch prima ihren Zweck erfüllten. Mit den Maßen 18x18x4cm sind die leistungsstarken Rechner ideal für Office- u. Internetanwendungen, und passen gut in unsere Stationen. Die Geräte werden mit der freien Software Linux Mint, die auch den gebräuchlichen Internet-Browser Firefox sowie ein Libre-Office-Paket, welches auch mit den üblichen Windows-Progammen voll kompatible ist, ausgestattet. Bei den Senioren-Tastaturen, mit extra großer Beschriftung hatten wir genauso Glück, wie bei Routern, welche Freifunk tauglich sind. Da wurden einige Geräte aus anderen Projekten an uns weitergeleitet, die wir sehr gut verwenden können. Bei dem Rest vom Zubehör, wie Monitore, Kabel, Mäuse usw. können wir uns gut aus unserem eigenen Fundus bedienen.

Da Nachhaltigkeit eine zentrale Säule in unserer Gruppen-Philosophie übernimmt, wolten wir von Anfang an, bevorzugt recyceltes Material für unsere Kiste verwenden. Und da der soziale Gedanke nicht außen vor bleiben soll, kamen für uns nur Behinderten- u. Weiterbildungs-Werkstätten in die nähere Auswahl. Corona hat uns bei den dann folgenden Planungen immer wieder auf der Bremse gestanden.

Hier tagt gerade intensiv der Ausschuss für die Silber-Surfer interessen! Von l.n.r. Susanne u. Ulli (Heimbewohner), Jürgen (Seniorenbeirat), uns Wolfgang, Jennifer Quatiersmanagerin und Uwe

Ein gutes Netzwerk ist beim Organisieren von Projekten immer hilfreich und sollte nie fehlen. Ein guter Freund, der Toso, sprach mich im November 2020 an, ob wir noch unsere tolle PC-Initiative hätten? Das konnte ich nur bestätigen und seine weitere Frage, ob wir auch ein aktuelles Vorhaben für Senioren hätten, passte wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge! Er sitzt im Kuratorium der Paul u. Gundula Meyer Stiftung und dort suchte man ein soziales Konzept für Senioren, welches sie unterstützen könnten. Wir haben uns dort gerne beworben und als geborene Glückpilze, dann auch den Zuschlag ergattert. So kam es, das wir jetzt einen großzügigen Sponsor haben, der uns die Geldsorgen für die Vollendung des Projektes von den Schultern nahm. In den weiteren Schritten fanden wir bei der AWO und der Dobeq zwei kompetente Partner für die Fertigung unserer Möbel. Wir haben den Teams dort freie Hand, bei der Konstruktion gelassen. So kam es, das als wichtigste Inovation, die absenkbare Klappe durch zwei Türen ersetzt wurde. Das hatte den Grund, darin, dass die auftretenden Kräfte beim möglichen Abstützen darauf, zu gefährlich, für die Silber-Surfer wären.

Das Original
Unsere Variante

Natürlich ist dieses Model zu groß geraten und hat viel Potenzial für Material- u. Gewichtseinsparung. Insbesonders, weil Holz zu diesem Zeitpunkt sehr wertvoll geworden ist, auch wenn es sich um recyceltes Material handelt. Nachdem auch noch andere Details angepasst wurden, gaben wir 30 Schränke in Auftrag.

PHASE3:Was lange währt, wird endlich…

Unser gut gefülltes Zwischenlager

Die Möbel sind fertig produziert und wurden von uns abgeholt. Als erste Einrichtungen sind die beiden AWO Seniorenheime “Achenbach” & “Zur alten Gärtnerei” in Brambauer auserkoren. Hier lagen ja auch die Wurzeln des Projekts. Leider sind Susanne und Ulli nicht mehr unter uns. Wir hoffen das sie von ihrer Wolke den Endspurt der Surf-Kiste wohlwollend begleiten und mitverfolgen. Wir haben diese Idee ihnen gewidmet.

Die Heimleitung hat dann eine Firma beaufragt unsere Mediabox an der Wand im Aufenthaltsraum zu befestigen, wir haben die Technik verkabelt, eingebaut, sowie Schloss und Riegel montiert. Jetzt hätten wir eigentlich das Thema, vor dem 5. Jahr, abschließen können. Leider hat die Fachfirma sehr schöne Steckdosen für Strom und Lan angebracht, wahrscheinlich auch für eine ordentliche Rechnung, aber ohne Zugang zum Internetanschluß. Es ist nicht immer eine Freude mit Laien zu arbeiten!

avatar VonUwe Martinschledde

Wie war das eigendlich mit dem Ruhrpott und der Integration?

Im 17. Jahrhundert war hier noch ein ländlicher Raum, vergleichbar mit dem heutigen Münsterland. Die wirtschaftliche Expansion mit der Industrialisierung im Zeitraum von 1871-1914 macht die Anwerbung neuer Arbeitskräfte erforderlich. So kamen erstmalig sehr viele Menschen von weit und fern ins Gebiet an der Ruhr.

Im Englischen gibt es zwei Ausdrücke für das Zusammenleben mit Einwanderern. Zum einen die Salad Bowl , die Salatschüssel, für den Fall, wo die unterschiedlichen Kulturen nebeneinander weiterbestanden und zum anderen der Melting Pot , dem Schmelztiegel, wo die Menschen miteinander verschmelzen! In solch einem Pott sahen sich auch die Berg- und Stahlarbeiter der Metropole Ruhr . So nennt man die Region heute gerne, nachdem der Strukturwandel den alten Ruhri überwunden hat. Aber diese geschichtliche Komposition der Menschen zwischen Oberhausen und Hamm ermöglicht weiterhin die Integration von neuen Zuwanderern.

Viel Arbeit, wenig Platz, jede Menge Zuwanderer = Schmelztiegel

Mit diesem Hintergrund hat sich eine offene Gesellschaft gebildet, die Zuwanderer, Flüchtlinge und andere Zugezogene zwar oft nach einigen hin und her, trotzdem in die eigenen Reihen aufgenommen hat. Das waren die Vertriebenen nach dem 2. Weltkrieg, genauso wie die Generationen der Gastarbeiter und die Flüchtlinge aus Syrien und dem Rest der Welt. Man arbeitet und lernt gemeinsam, wohnt in unmittelbarer Nähe miteinander als Nachbarn, aber man verbringt auch die Freizeit, den Sport sowie die Hobbys zusammen. Und Schwupp nach ein bis zwei Generationen…

Wir verdanken unsere Gründung auch so einem Exodus von Menschen ins Ruhrgebiet. Im Jahre 2015 gab es eine große Welle von Flüchtlingen nach Europa, auch nach Dortmund. Es gab/gibt eine große Anzahl von Helfern, die versuchen in unterschiedlichen Bereichen die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Bei uns war es das Installieren von Freifunk für freies WLAN in Unterkünften von Geflüchteten. Dabei erkannten wir schnell die Notwendigkeit, auch PC’s dort aufzustellen. Also haben wir aus dem Fundus unserer Freunde alte Geräte gesammelt und diese der neuen Aufgabe zugeführt. So trafen wir auf junge Bewohner der Heime, die uns ihre Hilfe anboten, weil sie Zeit hatten und über IT-Kenntnisse verfügten. Als wir dann weiter wuchsen, fanden wir in einem Gemeindekeller der Ev. Kirche in Nette bei Bianca Asyl. Hier konnten wir nach Herzenslust schrauben, schalten und walten. Dies fiel auch einigen Jugendlichen aus der Gemeinde auf, die fragten, ob sie mitmachen könnten, obwohl sie von dem Thema noch keine Ahnung hätten.

Als spontane Pragmatiker haben wir das dann wie folgt umgesetzt, die Flüchtlinge haben den Kids Computerwissen beigebracht und davon profitiert, das sie dabei die deutsche Sprache üben und trainieren mußten/konnten. Dabei entstanden dann auch Kontakte über die PC’s hinaus, wenn man Briefe übersetzte, in der Schule unterstützte oder half einen Ausbildungsplatz zu finden. Dies passiert natürlich auch bei den deutschen Jugendlichen und Ehrenamtlern. Selbstverständlich hilft man sich untereinander, profitiert vom Wissen und den Kontakten der Mitstreiter, eine klassische Win-Win Situation .

Mitterweile sind die meisten der Flüchtlinge in Arbeit und Brot, aber dafür ist jetzt die Generation ihrer Kids bei uns und das Karusell dreht sich weiter.

Vom Kohlenpott, über das Ruhrgebiet zur Metropole Ruhr!

In unserem Ruhrpott-Integrationskonzept ist es egal:

…ob du aus Dortmund, Westfalen oder dem Rest der Welt kommst,

…jung oder alt bist,

…männlich, weiblich oder anders präferiert bist,

Hauptsache du bist genauso tolerant, hilfsbereit und mit Freude bei deinem Tun, wie wir! Wir setzen auf Viefalt und Ergänzung, so das wir keine homogene Gruppen mit nur z.B. Geflüchteten, Kids oder Senioren bilden, da so eine Integration im Sinne von Schmelztiegel besser gelingt. Wir sind mit dem System immer gut gelaufen.

Ach ja, wir sind jetzt in unserem sechsten Jahr! Und mittlerweile, Schwupp da ist sie, die 2. Generation …